Die Erstellung eines Anforderungsprofils ist an keine bestimmte Form gebunden. Eine bewährte Methode ist die Orientierung an den Richtlinien des Arbeitsmarktservice (AMS) Österreich. Sie beschreiben klar und strukturiert die Qualifikationen, Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften, die für eine bestimmte Stelle erforderlich sind.
Zusätzlich kann der DigComp at Work Implementation Guide der Europäischen Kommission als europaweiter Rahmen genutzt werden. Er unterstützt Organisationen dabei, Anforderungsprofile zu entwerfen, die an die Herausforderungen der Digitalisierung angepasst sind (Europäische Kommission, 2022).
Ein praxisnaher Ansatz zur Erstellung eines Anforderungsprofils sind Workshops, die in verschiedenen Formaten durchgeführt werden können:
Durch die Kombination der Sichtweisen von Führungskräften und Mitarbeitenden lässt sich ein ausgewogenes Anforderungsprofil entwickeln.
Um ein Anforderungsprofil anschaulich zu präsentieren, bietet sich die visuelle Darstellung in Form eines Spinnennetz-Diagramms an. Es ermöglicht eine klare Übersicht über die Ausprägung verschiedener Kompetenzen und unterstützt die schnelle Erkennung von Stärken und Entwicklungsfeldern (AMS-Forschungsnetzwerk, 2023).
Im Projekt sollten die Anforderungsprofile auch dazu dienen, einen Vergleich mit den Ergebnissen der Kompetenztests zu ermöglichen. Deshalb orientierten sich die in den Anforderungsprofilen erarbeiteten Kompetenzniveaus auch am DigComp, so wie es auch die verwendeten Kompetenztests tun.
Der Vergleich der Anforderungsprofile und der Selbsteinschätzungs- bzw. Wissenstests zeigt jedoch, dass das Anforderungsniveau (zwischen 1 und 8) unterschiedlich interpretiert wurde. Die Anforderungen in den einzelnen Kompetenzbereichen liegen zum Teil deutlich über den Ergebnissen der Tests.
Daraus nun einen hohen Entwicklungsbedarf abzuleiten, greift jedoch zu kurz. Denn in der Nachbefragung der Teilnehmenden und in den zusätzlichen Interviews stellte sich heraus, dass viele Teilnehmende ihre Fähigkeiten mit Blick auf die eigenen Tätigkeiten positiver beurteilten als die Kompetenztests, deren Fragen oft als zu allgemein oder nicht zur Tätigkeit passend empfunden wurden. Oder das erforderliche Kompetenzniveau für den eigenen Beruf wurde abweichend zu den Kompetenztests als ausreichend eingeschätzt.
Hinzu kommt, dass die am Workshop Beteiligten die Inhalte und Fragen der Kompetenztests nicht vorab in der Tiefe kannten und bei der Vorstellung der einzelnen Kompetenzbereiche aus dem DigCom eigene Vorstellungen davon entwickelten, welche Fähigkeiten welchem Kompetenzniveau entsprechen bzw. welches Kompetenzniveau in den erhobenen Bereichen für eine Kompetenzentwicklung erstrebenswert ist. Verständlich, denn diese Mitarbeitenden kennen die jeweiligen Tätigkeitsbereiche aus erster Hand und können gut einschätzen, was in dem jeweiligen Kontext sinnvoll ist.
Fazit: Wenn man die Anforderungsprofile tatsächlich für einen Soll-Ist-Vergleich nutzen will, müssten die Beteiligten bei der Erstellung der Soll-Profile detailliert in die Logik und die Anspruchsniveaus der Testung einbezogen werden. So könnte man sicherstellen, dass die Soll-Profile die Logik des Anspruchsniveaus der einzelnen Kompetenzstufen adäquat reflektieren. Die Mitarbeitenden sollten zudem Einfluss auf die Testgestaltung nehmen können, damit die Tests präziser die relevanten Tätigkeiten abdecken.
Es ist also wichtig, im Vorfeld die Erwartungen an die Kompetenzentwicklung/-erfassung zu klären. Das umfasst auch die Prüfung, ob ein derart umfangreiches Vorhaben (Soll-Ist-Vergleich) tatsächlich erforderlich ist oder ob ein einfacheres Verfahren – zum Beispiel die kollegiale Erhebung von Anforderungsprofilen – für das konkrete Vorhaben angemessener wäre.
Anhand der untenstehenden Praxisbeispiele erfahren Sie, wie im Projekt roadMAP Anforderungsprofile bei bestimmten Jobfamilien erstellt wurden.